Gedenkansprache GM a.D. Bernhardt beim Fallschirmjägergedenken am 26.05.2018 in Altenstadt

Herzlichen Dank, Herr Pfarrer Beyrer, für diesen Gottesdienst.

Auch dafür, dass Sie uns mit dieser Gedenkfeier seit mittlerweile 16 Jahren hier aufgenommen und unterstützt  haben – nachdem das traditionelle jährliche  Gedenken für die Opfer der Schlacht um Kreta an unserem Ehrenmal in der Kaserne untersagt worden war. Und der Kirchengemeinde Dank dafür, dass wir auch in diesem Jahr in diesem ehrwürdigen Gotteshaus unser Gedenken durchführen dürfen. Gleichfalls unserer Altenstadt-Schongauer Fallschirmjägerkameradschaft vielen Dank für Vorbereitung und Organisation auch des diesjährigen Gedenkens sowie all denen, die dafür gesorgt haben, dass diese Tradition über all die Jahre uns erhalten geblieben ist. Und Ihnen allen herzlichen Dank  für Ihre Teilnahme, besonders den Fahnenabordnung und den Musikgruppen.

Wir gedenken mit dieser Feier der Gefallenen und Vermissten der Fallschirmtruppe der Wehrmacht sowie der Truppenteile, die zu ihr gehörten oder sie unterstützten, aber auch der gefallenen Gegner, die ihr gegenüberstanden. Wir gedenken der Gefallenen der Bundeswehr und derjenigen, die ihr Leben im Dienst für unser Land lassen mussten. Dabei besonders unseres Kameraden Hauptfeldwebel Tim KALISCH von unserer Luftlande-Schule, der am 05. Juli 2017 in Wiener-Neustadt bei der Freifall-Ausbildung tödlich verunglückte. Und wir schliessen in dieses Gedenken die Kameraden,  ihre Angehörigen und unsere Mitarbeiter ein, die uns seit dem letztjährigen Gedenken verlassen mussten.

Wir wissen alle, dass mit dem Gedenken an unsere Gefallenen und Vermissten des II. Weltkrieges immer auch das Erinnern an die Verbrechen des verantwortungslosen damaligen Regimes verbunden ist, die damals im deutschen Namen geschehen sind. Wir dürfen aber nicht den heutzutage gerne benutzten, den bequemen und billigen Weg gehen, dass wir deswegen einfach die Wehrmacht, die  Armee unsere Väter und Vorväter, pauschal, ohne Einzelbeurteilung mit dem Stempel „nicht traditionswürdig“ versehen und in den Keller der Geschichtsvergessenheit entsorgen. Schon deswegen nicht, weil die ehemaligen Soldaten der Wehrmacht, die das Glück hatten, Krieg und Gefangenschaft zu überleben, diesen unseren demokratischen Staat im Wesentlichen mit aufgebaut und unseren heutigen Wohlstand mit begründet haben. Und erst recht nicht vergessen dürfen wegen der Millionen von Opfern, die diese Soldatengeneration erbringen und erleiden musste.

Alleine die Fallschirmtruppe hatte bis Kriegsende über 60.000 Gefallene und Vermisste  zu beklagen – nahezu die Stärke unseres heutigen Heeres. Bei einer ursprünglichen Gesamtstärke der Fallschirmtruppe von 280.000 Soldaten, bedeutet dies, dass bis Kriegsende jeder 5.  Fallschirmjäger gefallen ist oder als vermisst gilt. Besonders deutlich  wird dies am Beispiel des FschJg-Regiments 2, das zeitweilig vom damaligen Oberst Kroh, dem späteren Kommandeur unserer 1.Luftlandedivision, geführt wurde. Dieses Regiment wurde seit 1941 viermal aufgerieben und musste jedes Mal im Grunde neu aufgestellt werden. Für uns ist es heute kaum nachvollziehbar, wie diese Truppe trotzdem bis in die Endphase des immer aussichtsloser werdenden Krieges ihren Kampfgeist und ihren besonders engen kameradschaftlichen Zusammenhalt bewahren konnte. Noch erstaunlicher ist, dass dieser besondere kameradschaftlichen Zusammenhalt innerhalb der Fallschirmtruppe auch über das Kriegsende und den katastrophalen Zusammenbruch von 1945  hinweg gehalten hat.

Die ehemaligen Fallschirmjäger, die jetzt allmählich aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wurden und in die Trümmerwüste, die von Deutschland übrig geblieben war zurückkehrten, kümmerten sich trotz der allgemeinen Not nicht nur um das eigene Überleben, sondern auch um die Angehörigen ihrer gefallenen oder vermissten Kameraden und deren Schicksal. „Treue um Treue “, dieses 500 Jahre alte Leitwort, das schon Grundforderung für den kameradschaftlichen Zusammenhalt im Kriege war, gewann seine besondere Bedeutung im wechselseitigen kameradschaftlichen Überleben-Helfen in der schweren Nachkriegszeit. Es blieb unserer Zeit vorbehalten, dieses Leitwort für das deutsche Heer zu verbieten.

Als Beispiel für gelebte und vorgelebte“ Treue um Treue“ sei hier nur Rudi Müller erwähnt. Unser langjähriger Archivar, ehemals Oberjäger im bereits angesprochenen Fallschirmjägerregiment 2 und später nach dem Krieg Polizeikommissar in Würzburg. Er hat nicht nur über Jahre hinweg in mühsamer Kleinarbeit die Kompanielisten mit den Namen eines jeden Soldaten seines mehrfach zerschlagenen Regimentes zusammengestellt und in mühsamer Kleinarbeit vervollständigt und alle Informationen dafür um die Einsätze des Regimenter zusammengetragen, insbesondere um das definitive Schicksal seiner vermissten Kameraden zu klären. Er hat auch alle die vielen Stätten im Westen, Süden und Osten besucht, wo dieses Regiment eingesetzt war und wo gefallene Kameraden seines Regimentes liegen oder liegen könnten. Und dabei insbesondere bei diesen Fahrten nach Russland, Weißrussland und in die Ukraine zumeist einen LKW mit Hilfsgütern mitgeführt hat, um zu helfen und gleichzeitig zur Freundschaft mit dem ehemaligen Gegner beizutragen.

Der vielfältige Beitrag der alten Soldaten und nicht zuletzt der ehemaligen Fallschirmjäger zur Aussöhnung mit dem bisherigen Gegner und zur Völkerfreundschaft ist heute weithin bei uns vergessen. Aber nicht bei unseren ehemaligen Gegnern, wie es auch in diesem Jahr in diesen Tagen die wechselseitige und selbstverständlicher Teilnahme an den Gedenkveranstaltungen auf Kreta oder am  Monte Cassino zeigen. Und wir dürfen auch darüber nachdenken, dass an der Deutschen Gedenkfeier auf Kreta mittlerweile mehr Griechen als Deutsche teilnehmen.

Heute Abend landet in München vom gemeinsamen Gedenken auf Kreta kommend der 97 -jährige ehemalige Korporal der neuseeländischen Streitkräfte, Toni MADDEN. Er ist im Mai 1941 auf Kreta verwundet in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten und wurde offensichtlich gut behandelt. Er hat den Wunsch, bei den gemeinsamen Feierlichkeiten auf Kreta und jetzt bei seinem Besuch in München noch einmal einem seiner früheren Gegner die Hand zu drücken. Und – wie er sagt – auch den freundlichen Münchnern, die ihn wohl ebenfalls gut behandelt haben, als er als Kriegsgefangener dort Straßen nach den Luftangriffen reinigen musste. Deswegen hier erwähnt, weil dies daran erinnert, dass die neuseeländische Kreta – Veteranen – Union bereits Anfang der 60er Jahre beim Kampf um Kreta eingesetzte deutsche Fallschirmjäger zu ihren Ehrenmitgliedern ernannte. Eine noble Geste, aber auch Zeichen der erfolgreichen Arbeit zur Völkerverständigung, die vorher schon die alten Fallschirmjäger geleistet haben. Diese Arbeit kam auch der jungen Bundeswehr zugute.

Die längste internationale Übungsserie, die deutsch-französische COLIBRI – Übung (erstmals durchgeführt im Mai 1962, also vor 56 Jahren) geht wesentlich auch auf Kontakte zurück, die die alten deutschen Fallschirmjäger um den späteren Brigadegeneral d.R. Professor Dr. von der Heydte schon bald nach dem Krieg nach Frankreich  geknüpft hatten.

Und die schließlich – nach weiteren jahrelangen Bemühungen zunächst von Oberst Rudolf WITZIG und dann von Oberstleutnant Karl-Heinz SANDER am 28.11.1989, also vor bald 29 Jahren, zur Gründung der Union Europäischer Fallschirmjäger (UEP) führten. Hier in ALTENSTADT an unserer Luftlandeschule, wie sie für uns Alte immer noch heißt. Mit dieser UEP, nehmen die Fallschirmjäger-Vereinigungen aus mittlerweile 11 Ländern ein Stück europäische Zukunft vorweg, helfen sie gestalten und gemeinsam voranzubringen. Und die aktuelle internationale Entwicklung zeigt uns ja mehr als deutlich, dass dies notwendig ist und wir insbesondere mit unserer gemeinsamen Verteidigungsfähigkeit voran kommen müssen – und nicht weiter in immer wieder neuen Deklamationen und Papieren stecken bleiben dürfen. In den Statuten der UEP verpflichten sich die Mitgliedsverbände diese europäische Zusammenarbeit zu fördern und bekennen sich gleichzeitig zu der gemeinsamen Aufgabe, der jungen Generation „den auf Ehre und Pflichterfüllung beruhenden Geist der Fallschirmjäger zu vermitteln“.

Wir dürfen gleichzeitig aber eines nicht vergessen: Ohne den gemeinsamen Schutz von Freiheit und Sicherheit durch unser Bündnis wäre diese gemeinsame Entwicklung und wäre die längste Friedensphase in Europa, die wir in den letzten Jahrzehnten genießen konnten,  nicht möglich gewesen. Die Fallschirm – und Luftlandetruppe unserer Bundeswehr hat hier wesentlichen Anteil. Vom bewundernswert raschen Aufbau besonders leistungsfähiger Verbände in der Anfangsphase über die jahrelange Wahrnehmung des AMF – Auftrags in den kritischen Flanken der NATO bis hin zu den immer häufiger, umfangreicher und vielgestaltiger werdenden Auslandsaufträgen in immer neuen Krisengebieten der Welt. Und unsere Fallschirmjäger nehmen diese nach alter Tradition zumeist als erste, als erste Welle, wahr.

Wenn zu Recht die unzureichende Ausstattung der Bundeswehr beklagt wird, so muss man umso mehr anerkennend hervorheben, dass unsere jüngeren Kameraden trotz dieser Mängel immer wieder und immer noch alle ihre vorgegebenen Aufträge erfüllt haben. Wir dürfen dabei aber die nicht vergessen, die dabei und  über all die Jahre vorher im Dienst für uns alle ihr Leben hingeben mussten. Von den Opfern des Iller-Unglücks vor 61 Jahren über die vielen im Dienst ums Leben gekommenen Kameraden (in manchen Jahren waren dies bis zu Einhundert) bis hin zu den gefallenen Fallschirmjägern beim Karfreitags-Gefecht bei ISA KHEL in AFGHANISTAN.

Angesichts der vielen und vielfältigen Herausforderungen unserer Tage, der Krisen und instabilen Entwicklungen um uns herum, sind aber Gedenken und der Blick zurück zu wenig. Wir müssen alle daraufhin wirken, dass unsere aktiven Kameraden wirklich die Voraussetzungen erhalten, um ihre angesichts dieser Herausforderungen noch schwieriger werdenden Aufträge zu erfüllen. Und nicht immer wieder auf kommende Haushaltsjahre vertröstet und oder mit Papier-Ankündigungen hingehalten zu werden. Und wir müssen vor allem dafür sorgen, dass sie in unserer Gesellschaft die Unterstützung und Anerkennung erhalten, die sie verdienen.

Vielen Dank.